"Sag mal, hast du jetzt eigentlich nochmal gewogen?" Ich starre meinen Vater an und blinzle verwirrt in die Morgensonne. Mein Vater sagt (endlich?) etwas zu meiner Essstörung. Ich nicke. Sage, dass ich abgenommen habe [eine kleine, wenn auch vielleicht unwichtige Nebeninfo: mein BMI liegt nun bei 14,9]. Und dann rechnet mein Vater meinen Grundbedarf aus, redet plötzlich davon, dass ich versuchen soll, jeden Tag auf 1000 Kalorien zu kommen. Tausend Kalorien. Das schaffe ich gerade mal in 2-4 Tagen, wenn überhaupt. Aber täglich? Ja, vielleicht würde das hinhauen. Mit kalorienreichen Getränken. Oder Nüssen oder sowas. Aber ich habe seit meiner "Kalorienangst" keine Getränke mit Kalorien getrunken. Und Nüsse mochte ich noch nie wirklich. Deswegen scheint mir das ganze unmöglich. Gut, vielleicht nicht ganz unmöglich, aber...in meinem Kopf ist einfach nur ein ganz großes, schrilles "Nein". Irgendwann kommt meine Mutter dazu. Sie weint. Ich weine. Ich schweige fast durchgehend, antworte nur einsilbig, aus Angst, alles noch schlimmer zu machen. Wir kommen darauf, dass ich demnächst zur Ärztin zum Wiegen muss und die mich vielleicht einweisen lässt, wenn ich weiter abnehme, dass man nicht einfach aus einer Klinik rauskomme. "Doch, da kommt man schon raus...", sage ich und verschweige, dass es durchaus vorkommt, dass man aus der Klinik rausgeschmissen wird, wenn man nicht (schnell) genug zunimmt. Ich habe so viele Dokumentationen darüber gesehen, dass ich mir sicher bin, dass ziemlich viele Kliniken so handeln. Irgendwann sagt meine Mutter völlig verheult: "Damals im Krankenhaus haben sie dir das ganze Essen reingezwängt und du musstest drei Kilo wiegen und vorher durftest du nicht raus. Und jetzt sind 14 Jahre später wieder an dem Punkt. Ich will nicht, dass du wieder ins Krankenhaus kommst." Mir haben schon viele Sätze das Herz gebrochen, aber ich glaube, dieser Satz gehört zu den "Top 10". Mein Vater fragt immer wieder, was man denn machen könnte, betont, dass er nicht verstehen kann, wie man Untergewicht verschlimmern will, dass ich bloß nicht anfangen soll zu kotzen und dass er mich sonst höchstpersönlich einweisen lässt. Und immer wieder fällt der Satz "Dann trink doch wenigstens normale Cola. Du brauchst doch Zucker und Energie, mensch.", was ich mit einem quengelnden "Nein, ich will aber nicht" abtue. Dass ich mir dabei wie ein kleines Kind vorkomme, muss ich wahrscheinlich nicht erwähnen.
Nachdem wir uns alle wieder beruhigt haben beziehungsweise mussten, weil meine Schwester aufgewacht war, gehe ich mit meiner Mutter einkaufen, weil ich vor ein paar Tagen ein Erdnussbutter-Cookie-Rezept gefunden habe, welches ich unbedingt ausprobieren wollte, wir aber keine Erdnussbutter mehr hatten.
Anschließend bin ich 2 bis 3 1/2 Stunden mit backen beschäftigt. Meine Mutter sieht mir dabei immer wieder mal kurz zu und meint irgendwann, ich solle doch öfter kochen und/oder backen, weil ich dann eine andere Beziehung zum Essen - zumindest zum eigenen - hätte. Irgendwie bezweifle ich das. Wie oft hört man davon, dass Essgestörte wie verrückt kochen und backen und davon nichts oder nur wenig auch essen? Ich will nicht zu diesen Essgestörten gehören. Wovor ich aber am meisten Angst habe, ist, dass ich dann immer wieder die Kalorienangaben kontrolliere, in der Hoffnung, sie würden sich verändert und sie, nachdem ich fertig gekocht habe, auswendig kann. Dennoch werde ich jetzt öfter Kochen oder Backen. Ich werde das vermutlich eh irgendwann brauchen, egal, ob krank oder nicht. Da kann ich das doch einfach nutzen, in der Hoffnung, es wird mich irgendwie beim Gesund werden unterstützen.
Später erzählt mir meine Mutter, dass meine Schwester morgens, nachdem ich gegangen bin, gefragt hat, was los sei, weil ich noch völlig verheult war. Meine Eltern hatten sich dafür entschieden, dass ich ihr das sagen soll, vor allem, weil meine Schwester ja auch Fragen haben könnte, die weder meine Mutter noch mein Vater beantworten können.
Da meine Schwester den ganzen Tag unterwegs war, fragt sich mich abends, was denn mit mir wäre. Es kommt mir ziemlich dumm und unglaubwürdig vor, zu sagen "Ich hab Magersucht", während ich einen meiner Kekse esse. Also zögere ich das ganze hinaus. Sie weiß es immer noch nicht und irgendwie schäme ich mich dafür.
Das Kochen kann dir aber wirklich helfen! Dabei kannst du auch austesten was dein Kopf mitmacht. Fang mit einfachen Sachen wie z.B. einer Gemüsesuppe an und steigere dich... Von Kcal armen Gemüse wie Pilze und Paprika bis zu Kartoffeln und Co. Keiner Verlangt sofort von dir das du dir Sahne, Cola und Co. in deinen Körper zwingst. Deine Eltern wissen es halt nicht besser & das sind nur Vorschläge. Versuche sonst Kompromisse zu schließen wie: Ich esse mehr Obst, wenn Papa will das ich Zucker zu mir nehme. Dabei musst du bedenken das Fruchtzucker "besser" als "(Cola-)Zucker" ist.
AntwortenLöschenDu bist noch ganz am Anfang. Lass dich von niemanden stressen. Das tut dir nicht gut ! Und von jetzt auf gleich 1000 kcal ist echt schwer. Ich habe 2 Monate gebraucht um mich von 500 auf 1000 zu steigern. Muss dazu sagen, ich war bei meiner Recovery Phase schon etwas weiter als du.
Ich wünsch dir alles Gute
Love, Lela :*
Wie Lela schon gesagt hat, stress dich nicht, versuch dich langsam zu steigern und du schaffst das.. Recovery ist leider schwer..:/
AntwortenLöschenDie Magersucht deiner Schwester zu "beichten" ist schwer, bei mir mit meinen Eltern wars schon schlimm, aber mit meinen engsten Freundinnen tue ich mir auch schon richtig schwer, da weiß es nur eine. irgendwie schämt man sich, wie du gesagt hast.. und ich schreibe schon wieder totalen mist, ich weiß, ich weiß nur noch nicht so richtig was ich sagen soll um dir irgendwie einen rat zu geben oder so, ich mein, ich selbst mach ja auch alles falsch:D
Alles Gute:)
Louise
Hey :)
AntwortenLöschenRecovery ist schwer, aber du schaffst das! Ich rate dir auch langsamt zu steigern, vielleicht ein Mal die Woche um 100 kcal oder so :) aber du schaffst das, ich glaub an dich!
Ich habe mich am Anfang auch für meine Magersucht geschämt und tue es teilweise immer noch bei manchen "Gewohnheiten" obwohl ich mit der Tatsache gut klar komme und auch offen drüber rede.
Ach und, ich gehöre zu diesen Magersüchtigen, die dauernd für andere backen oder kochen :D ich genieße das total, so dumm es ist. Dann kann ich so viele Sachen ausprobieren, wie was schmeckt und wie man was macht. Auch wenn ich nur kurz probiere, ist es immer schön und alle freuen sich, was mich freut.
Alles Liebe und viel Kraft <3