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Donnerstag, 29. Mai 2014

Kontrollverlust

Ich spüre kleine, feine Körnchen zwischen den Zähnen und höre angespannt dabei zu, wie sie knirschen. Zucker. Das macht dick. Hör auf. Ich bin gefangen. Ich stehe zwischen "Erfüll das Klischee der Magersüchtigen und iss das Zeug nicht" und "Iss das gefälligst, Oma und Opa sollen nichts merken". Aber um beide Seiten zufrieden zu stellen, ist das Stück Buttercremetorte - weil der Erdbeerkuchen schon leer war - sehr schmal. Zum Glück konnte ich mir die Größe selbst zurecht schneiden. Ich stelle den Teller beiseite, versuche, den Bewegungsdrang zu ignorieren. Aber ich knicke - wie zu erwarten - ein und gehe in mein Zimmer, um die Kalorien wieder in Form von Sport loszuwerden. Ich habe zwar die Kalorien verbrannt, trotzdem fühlt es sich an, als wäre es nicht genug. Weitermachen kann ich nicht, weil meine Rippen, sowie meine Hüftknochen, wenn ich auf dem Rücken liege, Schmerzen. Inzwischen spüre ich (beim Liegen!) sogar ein bisschen die Schulterblätter und ich frage mich, wie das sein kann. Immerhin habe ich zugenommen. Zwar "nur" 400 Gramm, dennoch irritiert es mich. Allerdings beschäftige ich mich nicht weiter damit, sondern gehe wieder runter, stehe hinter dem Stuhl meiner Mutter und lausche den Gesprächen. Irgendwann sagt meine Mutter etwas zu mir, das ich gar nicht wahrnehme und ich gehe einfach wieder hoch in mein Zimmer. Keine Ahnung, warum, es gibt keine Grund, aber kaum bin ich oben in meinem Zimmer, breche ich für einen kurzen Moment in Tränen aus. Nach fünf Minuten habe ich mich wieder beruhigt und sofort beginnt mein Gehirn - warum auch immer - über die Therapie nachzudenken. Donnerstag, 17 Uhr. Das ist der Termin, der zur Vorstellung dient. Der dazu dient, festzustellen, ob die Therapeutin und ich miteinander klar kommen. Irgendwie habe ich Angst. Ich habe bereits eine Therapie hinter mir, in der vierten und fünften Klasse, wegen Schulangst. Danach wollte ich nie wieder in Therapie gehen, nicht, weil ich der Meinung war, dass nur "Psychos" dorthin gehen, sondern, weil ich es einfach nicht für nötig, für Zeit- und Geldverschwendung hielt. Klar, als ich krank wurde, wusste ich, dass ich irgendwann wieder in Therapie müsse, aber irgendwie geht mir plötzlich alles viel zu schnell. Und plötzlich verliere ich die Kontrolle. Wieder einmal. Habe ich jemals erwähnt, dass ich meine Magersucht nicht ausstehen kann?

Meine Mutter fängt immer wieder mit folgendem Thema an: Suizid. Denn genau darüber hat die Ärztin auch am Montag gesprochen. "Dieses suizidale kann dann auch ganz schnell kommen" oder "Ich hab dann auch für ein paar Jahre in der Kinder- und Jugendpsychatrie gearbeitet und da war ein Mädchen, das sich mit 14 Jahren umgebracht hat" sind nur zwei Beispiele, ich glaube, insgesamt hat sie mehr als 10 Mal mehr oder weniger direkt über Selbstmord geredet. Meine Mutter hat das ziemlich geschockt und scheinbar lässt sie das nicht mehr los. Einerseits will ich sie so lange umarmen, bis sie das ganze so weit wie möglich vergisst, andererseits will ich zur Ärztin fahren und sie anschreien, sie fragen, warum sie so intensiv über Selbstmord geredet hat, will ihr erzählen, wie sehr das meine Mutter belastet.
Beides ist unmöglich und das macht mich fertig.

1 Kommentar:

  1. Ich finde es schade, dass du seit der Diagnose den "zwang" hast, das Klischee einer magersüchtigen zu erfüllen.
    Ich kann schon verstehen, dass deine Mum sich sorgen macht. Würde ich an ihrer Stelle auch. Ich denke, jede Mutter würde sich sorgen machen

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